Er ist da! Mit all seiner Kraft und seinem Erwachen ist der Frühling sichtbar, spürbar, hörbar da! Ein tiefes Einatmen und Durchatmen und ein freudiges „Endlich“!
Wie wohltuend die schon warmen Sonnenstrahlen auf der Haut, das lebendige Gezwitscher der Meisen und Spatzen, die zart -nickenden Blüten der Schneeglöckchen im alten Laub.
Aufbruch, Neubeginn und wiederkehrende Einladung für Wachstum und Entfaltung.
Und es schwingt auch Nachdenkliches mit in all der leichtfüßigen Freude in mir: So vieles bricht über uns in den letzten Wochen und Monaten weltweit herein, in einer Geschwindigkeit, die uns kaum Zeit für Luftholen läßt. So vieles, was uns fordert, bewegt, beunruhigt und sicherlich auch so manche/n an die inneren Grenzen bringt. Ich erlebe das in mir und gleichermaßen in meinem beruflichen Tun und werde dabei immer wieder mit der Frage konfrontiert, „Was ist jetzt wichtig? Was will das Leben jetzt von mir? Was von uns?“ …?
Ja, was…?
Vor kurzem „stolperte“ ich mal wieder über ein Buch. Nach einem langen Sonnenspaziergang um den See, ganz mit mir und der Natur, gehe ich in ein Café, um eine Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen zu genießen. Und entdecke dort Andres Webers „Minima Animalia“ , beginne darin zu blättern zu lesen … und es beginnt in mir zu schwingen!
Da blickt ein Mensch in die Poesie der Lebendigkeit, in die Poesie des Lebens mit einem Blick, der weitet, öffnet, verbindet und die Dimension des Fühlens und Spürens als eine wesentlichen Ur-Grund für alles Lebendige benennt. (Poesie wird hier in seiner altgriechischen Urbedeutung von poiesis = Schöpfung verstanden.)
Nach ein paar Seiten begegnet mir in seinen Zeilen auch die Annahme von/in uns Menschen, dass das Gute oben sei – wir wollten alle „hoch hinaus.“
Und ich beginne nachzudenken: Wenn das Gute für uns mit oben verknüpft ist, dann ist unser Blick auch immer da hin gerichtet. Wir wollen nach oben wachsen, in den Himmel, in die Höhe uns ausdehnen, noch mehr wachsen, noch mehr Wachstum und Entfaltung und immer nach oben… ist es das wirklich?
Wenn wir einen Baum anschauen, dann wächst er oberflächlich betrachtet nach oben. Seine Zweige breiten sich Jahr für Jahr mehr aus und wachsen dem Himmel und dem Licht entgegen. Was wir dabei scheinbar übersehen ist, dass es ihm vor allem deshalb möglich ist, weil er nach unten in die Erde seine Wurzeln wachsen und sich ausbreiten lässt, sich die Nahrung für seine Blätter und Zweige aus dem dunklen Urgrund von Humus und Mutterboden holt und sein Wurzelwerk dabei meist genauso ausgedehnt ist wie seine Baumkrone.
Hier entsteht, hier ist die Verbindung und Verbundenheit zu seinem, zu unserem Ursprung!
Warum vergessen wir das immer wieder? Warum schauen wir immer nach oben, warum lassen wir so oft nur das Offensichtliche gelten, anstatt uns auch dem Verborgenen, dem uns weniger Sichtbaren zu widmen? Dem, was in der Tiefe liegt, was im Dunklen ruht und uns neben dem gleichermaßen wichtigen Licht nährt, versorgt und wachsen lässt!
Mein Tun ist geprägt vom Wahrnehmen dessen, was unter der Oberfläche, in der Tiefe im Verborgenen ruht und zugleich wirkt und uns hilft, zu wachsen, zu blühen und zu gedeihen, dem Licht entgegen, wenn wir ihm seine wertschätzende Aufmerksamkeit geben.
Und es ist nicht nur das Wahrnehmen, damit Wachstum möglich wird, sondern in Folge dessen das Hinschauen und Erkennen, das Sichverbinden, das mit dem, was ein ganz wesentlicher Teil von uns ist, und dann daraus ins lebendige und nährende Tun kommen.
Wir brauchen beides: Das Hinaufwachsen und Ausdehnen nach oben in den Himmel und das Hinabsinken und Verwurzeln nach unten in die Erde. Dann ist es gut! Dann ist es kraftvoll und stabil. Dann ist das Leben in Balance!